Bensheim: Pavillon an der B3

Verkaufsraum

Baujahr: 2011/12

Architekt: Roland Volk

empfohlen von: Erich Henrich

Fotos: Roland Volk

Vor genau 50 Jahren, am 29.4.1971, wurde der Verein für Behindertenhilfe Bergstraße (bhb), der Vorläufer der gemeinnützigen GmbH, gegründet, die heute fast 1.000 Menschen mit und ohne Behinderung beschäftigt.

Den Eingang zum ausgedehnten Gelände der Behindertenhilfe an der B3 in Auerbach markiert ein Pavillon, der 2011/12 von dem Bensheimer Architekten Roland Volk geplant und ausgeführt wurde und der ein gelungenes Beispiel der Architektur der Moderne in unserer Region darstellt.

Der schmale, in Ost- Westrichtung orientierte Baukörper ermöglicht durch einen Rücksprung der Fassade sowohl eine Öffnung zur Straße, als auch einen deutlichen Blick auf das dahinterliegende denkmalgeschüzte Verwaltungsgebäude. Er verbindet dadurch den öffentlichen Raum mit der Einrichtung.

War er bei seiner Entstehung als Info-Büro des betreuten Wohnens gedacht, so dient er heute weitgehend als Verkaufspavillon für die in den Werkstätten hergestellten Produkte. Wie Mitarbeiter der Institution berichteten, bietet das Gebäude angenehme Arbeitsbedingungen und wird von den Besuchern optimal angenommen.

Plakat zum Tag der Architektur 2013 mit Vergleich des Alt- und des Neubaus

Im Gegensatz zu dem alten Verkaufspavillon aus den 1980er Jahren, der an gleicher Stelle stand, und der das Gelände der Behindertenhilfe gegen die Straße hin „optisch abriegelte“ und eine Barriere für Besucher bildete, wirkt das neue Empfangsgebäude durch die Ost-West-Ausrichtung und die verglaste Fassade als einladender und barrierefreier Begegnungsraum, was durch die vorgelagerte Terrasse unterstützt wird, die durch den Rücksprung der Fassade entstanden ist.

Pavillon und Terrasse sind auf dem Kellerraum des alten Gebäudes aufgesetzt, der aus Kostengründen erhalten wurde.

Der Neubau besticht auf den ersten Blick durch eine scheinbar einfache und minimalistische Formgebung.

Bei näherer Betrachtung erweist er sich aber als komplexes Gefüge klarer geometrischer Baukörper. Einer Winkelform, welche durch die Rückwand und den Dachabschluss des Gebäudes gebildet wird, ist an der Rückseite ein kleiner Kubus angefügt, der sich durch die Farbgebung in einem dunkleren Grauton von dem helleren Grau des Winkels absetzt. Dennoch erscheint dieser Kubus nicht angehängt, sondern eher als Durchdringung in den Winkel hineingeschoben, so dass sich eine optische Verklammerung der beiden Formen ergibt.

In den Winkel ist dann auf der Frontseite ein dreiseitig verglaster Kubus eingesetzt, der durch vertikal verlaufende Aluminiumprofile regelmäßig gegliedert ist. An beiden Seiten des Glaskörpers setzen die Lamellenfenster, die als Lüftungsflügel eingebaut sind, einen schönen horizontal betonten Kontrast.

Durch die Holzlamellen der Brüstung, welche den Bau zum Verwaltungsgebäude hin abschließen, wird die Vertikalität der Aluprofile der Fassade wiederaufgenommen und in einem unterschiedlichen Rhythmus und einem anderen Material weitergeführt. Der warme Holz-Ton der unbehandelten Douglasienhölzer bildet außerdem einen Farbkontrast zum kühlen Grau der Platten-Verkleidung des Pavillons, die eine Sichtbetonoptik suggeriert. Aus statischen Gründen musste der Pavillon in einer leichten Konstruktion (Holzständerbauweise mit Stahlstützen) ausgeführt werden. Leider sind die Holzlamellen mittlerweile etwas „vergraut“, so dass die ursprüngliche Farbigkeit nur noch undeutlich sichtbar ist.

Im Innenraum setzen sich die Prinzipien der Offenheit und Transparenz deutlich fort. Eine Nische in der Rückwand zeigt, dass der scheinbar angesetzte kleinere Kubus sich zum größeren Glaskubus hin öffnet. Nur die rückseitig eingebaute Toilettenanlage ist als geschlossener Körper in die Offenheit der Gesamtarchitektur gesetzt. Der langgestreckte Raum im Inneren ist durch eine sehr leichte, kaum wahrnehmbare verglaste Holzkonstruktion noch einmal in zwei Bereiche geteilt. Durch die Wahl des Materials Holz wird hier im Innenraum eine zusätzliche Verbindung zur Lamellenkonstruktion der Brüstung – und damit zum Außenraum – geschaffen.

Insgesamt weist das Gebäude einen Kontrast und ein ausgewogenes Gleichgewicht zwischen Transparenz und Geschlossenheit, Leichtigkeit und Schwere auf, der die hohe formale Qualität dieser Architektur ausmacht.

Dass der Architekt Roland Volk gerade diese relativ kleine Bauaufgabe mit „maximalem Herzblut“ entwickelt und bearbeitet hat, erkennt man deutlich auch daran, dass das Gebäude bis ins letzte Detail durchgestaltet ist.

Hatte der ursprüngliche Verkaufspavillon einen eher werkstattartig-provisorischen und „verschlossenen“ Charakter, so präsentiert sich die Behindertenhilfe Bergstraße mit diesem neuen „Entrée“ als zeitgemäße, moderne und offene Einrichtung. Mit Hilfe eines „transparenten“ Architekturkonzeptes, welches eine räumliche und visuelle Verbindung von Öffentlichkeit und Behindertenhilfe schafft, werden hier Schwellenängste minimiert – und damit letztendlich auch Vorurteile abgebaut.